Wie Insekten Kriminalfälle lösen
CSI Insects
Die Natur kennt keinen Müll. Stirbt ein Lebewesen, sind Insekten die ersten, die aufräumen und so den Stoffkreislauf schliessen. Dass ihr Kreuchen und Fleuchen bei der Aufklärung von Todesfällen helfen kann, wissen einige seit «Das Schweigen der Lämmer» und noch mehr seit dem Erfolg von True-Crime-Podcasts.
Aber was geht hier eigentlich vor? Der Verwesungsgeruch menschlicher Leichen lockt innerhalb kürzester Zeit verschiedene Fliegen, Käfer und Maden an. Für sie und ihre Larven ist der eiweissreiche menschliche Körper ein wahres Schlaraffenland. Für Insektenforscher im Dienste der Polizei sind diese Organismen wichtige Puzzleteile, um ein vollständiges Bild des Tathergangs zu erhalten und um so wichtige Fragen zu beantworten: Wann und wo ist das Opfer gestorben? Hat es Drogen genommen?
Millionen von Zeugen
«Insekten lügen nie. In meiner Arbeit benutze ich diese winzigen Zeugen, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.» Dr. Paola Magni, Expertin für forensische Entomologie, betont die zunehmende und weitreichende Bedeutung ihres Spezialgebiets der Kriminalistik.
Wenn Dr. Magni am Tatort eintrifft, um Spuren zu sichern, sind die grün schillernden Schmeissfliegen längst da. Dank ihres exzellenten Geruchssinns dauert es manchmal nur wenige Minuten, bis sie bei der Leiche ankommen und sie als Brutstätte nutzen. Bis zu 300 Eier legen sie auf dem Körper oder in Körperöffnungen ab.
Hinschauen und nachmessen
Doch wie lässt sich der Todeszeitpunkt genau bestimmen? Indem man das Insekt unter die Lupe nimmt und sein Entwicklungsstadium bestimmt. Ist es noch eine Larve? Verpuppt? Schon zu einer vollständigen Fliege geschlüpft? Die Metamorphose der Schmeissfliege ist gut erforscht. Insektenforscher wissen auf den Mikrometer genau, wie viel sie pro Tag wächst. Die Körperlänge sagt ihnen, wie viele Tage seit der Eiablage vergangen sind und damit auch, wann der Tod eingetreten sein muss.
Auf diese Methode griffen Forensiker zurück, um die Unschuld eines Jugendlichen zu beweisen – wenn auch erst Jahrzehnte nach seiner Verurteilung. Sie analysierten die Grösse der Made, die auf dem Opfer gefunden wurden. Das Resultat: Das Verbrechen fand nicht an dem Tag statt, an dem der Jugendliche mit dem Opfer unterwegs war, sondern einen Tag später.
Einer nach dem anderen
Forensische Entomologen studieren nicht nur die Entwicklungsstadien von Insekten. Auch deren Artzugehörigkeit gibt Aufschluss über den Todeszeitpunkt. Einige Insekten wie die Schmeissfliege oder der Kurzflügelkäfer gehören zu den Erstbesiedlern, andere wie der Speckkäfer tauchen erst bei starker Verwesung auf, und wieder andere interessieren sich nur für die Knochen der Leiche.
Warum ist es so wichtig, den Todeszeitpunkt zu kennen? Diese Information kann Alibis von Verdächtigen bestätigen oder zerstören. Oder Angehörigen Gewissheit geben. Gerade dann, wenn ein Mensch keinem Tötungsdelikt zum Opfer fiel, sondern einsam und unbemerkt zu Hause gestorben ist.
Jagd auf weitere Hinweise
Licht ins Dunkle können forensische Entomologen auch beim Tatort bringen. Finden Ermittler eine Leiche im Wald und stellen Kellerasseln auf ihr sicher, deutet dies darauf hin, dass das Opfer in einem Gebäude getötet und dann im Wald ausgesetzt wurde.
In manchen Fällen können Insekten sogar Drogenkonsum entlarven. Weicht ihre Entwicklung auf bestimmte Art von der Norm ab, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass sie Drogen in sich tragen, die vom Opfer kurz vor dem Tod konsumiert wurden.
Tücken und Grenzen
Die Wachstumsrate wird – und das gilt für alle Insekten — von Umweltfaktoren wie die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Bodenbeschaffenheit beeinflusst. Das macht die Bestimmung des Todeszeitpunktes für forensische Entomologen nicht gerade einfach. Schwierig ist es auch, die richtige Art zu bestimmen, vor allem im Larvenstadium. Allein in der Familie der Schmeissfliegen gibt es 1000 verschiedene Arten. Und auch wenn die Insektenforscher im Polizeidienst immer wichtiger werden, gibt es einen Fall, in dem sie nicht gebraucht werden: bei tiefen Temperaturen. Dann stellen die Insekten ihre Fortpflanzung ein und bleiben den Leichen fern.
Kleine Insekten, grosse Leistungen
Es ist beeindruckend, wie uns die Insektenwelt zur Seite steht. Die grösste Gruppe der Tierwelt ist nicht nur eine tragende Säule unserer Ökosysteme, sondern dient uns auch als Helferin für mehr Klarheit, Trost und Gerechtigkeit.
–nwb
Wettbewerb
"Fauna besucht Flora"
Prämierung der eingereichten Bilder
22. November
18:00 - 20:00 Uhr
Weitere Informationen
Über Kunst und Natur
Künstlergespräch mit Leonardo Tenorio
Kunstschule Liechtenstein
10. Dezember
17:30 Uhr
Weitere Informationen
"Die Macht der Dinge"
Vernissage
Domus Schaan
26. November
19:00 - 19:30 Uhr
Weitere Informationen